Alles neu macht der Sommer
Nach einer katastrophalen Saison, in der der FSV Frankfurt mit einem mehr als dunkelblauen Auge gerade so den Absturz in die Hessenliga vermeiden und die Klasse am letzten Spieltag erst halten konnte, stand im Kader der 1. Mannschaft ein großer Umbruch an, denn der größte Teil der Mannschaft musste den Verein verlassen. Tim Görner, der in der vergangenen Saison zum Cheftrainer aufstieg, bekam auch für die anstehende Spielzeit das Vertrauen der Verantwortlichen ausgeschenkt und stand sofort vor seiner ersten Herausforderung: Zusammen mit dem Sportlichen Leiter Thomas Brendel galt es, um die einzig verbliebenen Spieler Jake Hirst, Manuel Reutter, Ahmed Azaouagh, Robin Williams und Cas Peters einen regionalligafähigen Kader aufzubauen.
Auch wenn fast alle Partner und Sponsoren des FSV Frankfurt die Treue hielten, der Etat für Spieler und Funktionsteam der ersten Mannschaft bleibt bei den Bornheimern überschaubar. Entsprechend herausfordernd war die Aufgabe für Tim Görner und Thomas Brendel, einen bezahlbaren Kader aufzubauen, der in der Regionalliga Südwest bestand haben würde. Bereits im Juni verpflichteten die Bornheimer Offensivmann Emir Kuhinja, der von der U23 der Fortuna Düsseldorf kam, vom Ligakonkurrenten TSG Hoffenheim II kamen Stürmer Jihad Boutakhrit und Mittelfeldspieler Amid Khan Agha, Noah Awassi wechselte vom österreichischen Zweitligisten FC Dornbirn nach Bornheim, genauso wie Torhüter Omer Hanin vom 1.FSV Mainz 05 an den Hang wechselte. Zudem sicherten sich die Schwarz-Blauen die Dienste von Giorgio Del Vecchio vom TSV Schott Mainz, von dem auch später Außenspieler Sho Sannomiya an den Hang wechselte und aus der litauischen ersten Liga kam Offensivspieler Kyle Spence vom FC Hegelmann nach Frankfurt. Torhüter Sebastian Schreiber kam nach der Leihe vom FC Bayern Alzenau zurück zum FSV und Henry Bremer, auch im Tor spielend, bekam ebenfalls einen Vertrag bei den Bornheimern.
Hier geht’s zu den zwischen Juli und September erzielten Tore des FSV Frankfurt
Bereits Ende Juni begann die Vorbereitungen für die neue Saison. Wobei die ersten Trainingseinheiten doch mehr an ein Scouting nach neuen Spielern erinnerten: Jede Menge Testspieler, aber auch Talente aus der vereinseigenen U19 schoben sich bei den Einheiten die Bälle zu. Nach wie vor setzt der FSV Frankfurt auf gute Jugendarbeit und so war es nur folgerichtig, talentierte Spieler aus der eigenen Jugend an den Herrenfußball heranzuführen. Allein in der Saison 22/23 spielen mit Robin Williams, Sebastian Schreiber, Mateo Costa, Miguel Costa, Seokmin Park, Timo Hildmann, George Daniel Iorga und Kritsana Garn Pummerrin acht Spieler aus der eigenen Jugend für die 1. Mannschaft des FSV Frankfurt! Doch noch war der Kader nicht vollständig und so vermeldeten die Bornheimer im Juli beinahe täglich eine Neuverpflichtung. Den ersten Transfercoup landeten die Bornheimer gleich zu Monatsbeginn mit der Verpflichtung Noel Knothes. Knothe, in der Defensive zuhause, kam vom Zweitligisten 1.FC Nürnberg zurück an den Hang und sollte den nach Zwickau gewechselten Leonhard von Schroetter ersetzen. Ebenfalls für die Defensive wurde Tim Weißmann, von der Teutonia Ottensen kommend, verpflichtet. Für das Mittelfeld engagierte der FSV Fabian Messina, der ablösefrei von der SG Sonnenhof Großaspach kam. Die ersten Testspiele des FSV Frankfurt im Zuge der Saisonvorbereitung galten mehr als Test für potentielle Neuverpflichtungen an Spielern denn als taktische Festigungseinheiten. Tim Görner testete gegen die Hessenligisten SV Neuhof (3:0) und FC Eddersheim (3:0), die Regionalligisten 1.FC Schweinfurt (0:1) und Würzburger Kickers (1:1), dem Gruppenligisten SG 01 Hoechst (3:0) sowie gegen den Drittligisten SV Wehen Wiesbaden (1:6). Auch wenn die Transferperiode für den FSV Frankfurt noch nicht gänzlich abgeschlossen war, lud der Verein am 24. Juli zur offiziellen Saisoneröffnung in die PSD Bank Arena. Rund 400 Zuschauer kamen und wollten wissen, wer die neuen Spieler sind, die zukünftig ihre Fußballstiefel für den FSV schnürten. Stadionsprecher Mika Dombrofski stellte die Mannschaft nebst dem Funktionsteam in kurzen Einzelinterviews und FSV-Legende Peter Koch erinnerte zudem an das 50-jährige Jubiläum der Amateurmeisterschaft: 1972 gewann Peter Koch zusammen mit den Bornheimer um Karl Heinz Volz und Horst „Schotte“ Trimhold gegen den TSV Marl-Hüls die deutsche Amateurmeisterschaft. Das an die Mannschaftsvorstellung anschließende Testspiel gegen den FC Gießen im Rahmen der Saisonvorbereitung entschied der FSV mit 6:1 für sich.
Der erste Spieltag der neuen Saison näherte sich. Die Euphorie unter den FSV-Anhängern hielt sich bislang in Grenzen, zu groß waren die Unbekannten: Wie startet der FSV Frankfurt in die neue Saison? Schafft es Tim Görner, mit 26 Jahren der jüngste Trainer in der Regionalliga Südwest, aus den Neuzugängen möglichst schnell eine ligataugliche Mannschaft zu formen? Wie verstehen sich die Spieler untereinander, ist die Mannschaft wieder ein Team, das zusammen durch dick und dünn geht, in dem jeder sich für jeden einsetzt, sowohl auf als auch neben dem Platz? Die ersten Antworten gab es zum Ligaauftakt, der FSV empfing in der heimischen PSD Bank Arena am ersten Spieltag der Regionalligasaison 22/23 die TSG aus Balingen. Auch wenn die TSG über weite Strecken der Partie das Heft des Handelns in die Hand nahm, die Defensive der Schwarz-Blauen stand, der FSV überzeugte kämpferisch. Und die Mannschaft zeigte einen Charakterzug, den sie im Laufe der Saison noch öfter an den Tag legte: Die Jungs um den neuen Kapitän Ahmed Azaouagh glaubten bis zum Schluss an sich: Nachdem sich die Zuschauer nach 90 Minuten mit einem torlosen Unentschieden abgefunden hatten, war es Jihad Boutakhrit, der in den letzten Sekunden im Strafraum und mit dem Ball allein vor dem Balinger Torhüter Binanzer auftauchte und vom Balinger nur noch per Foul gestoppt werden konnte. Den fälligen Strafstoß verwandelte Neuzugang Leon Müller zum 1:0 Endstand für den FSV. Im nächsten Ligaspiel musste der FSV zum FC 08 Homburg reisen, eine Reise, die wohl alle Schwarz-Blauen vergessen machen möchten. Nach einer desolaten Leistung ging der FSV im Saarland mit 0:7 unter. Sofort erklangen die ersten Stimmen diverser Kritiker, der Kader des FSV wäre nicht regionalligatauglich, Trainer Tim Görner würde in dieser Saison das schaffen, was er letzte Saison nicht geschafft hätte: den Fußballsportverein in die Hessenliga zu befördern. Doch all diese Kritiker wurden nicht nur in den nächsten Wochen eines Besseren belehrt. Nach der Klatsche in Homburg stand das Derby gegen Hessen Kassel an. Der vor dem Spiel gegen die Nordhessen vom Drittligisten Waldhof Mannheim verpflichtete Neuzugang Onur Ünlücifci stand noch nicht im Kader der Görner-Elf, welche aber die erwartete Reaktion zeigte und die Partie gegen Kassel mit 3:1 gewann. Dabei wussten die Schwarz-Blauen sowohl spielerisch als auch kämpferisch zu überzeugen. Gleiches galt auch eine Woche später für das Derby in und gegen selbsternannten Aufstiegskandidaten Kickers Offenbach, auch wenn der OFC das Spiel mit 3:1 für sich entschied, über eine Punkteteilung hätten sich die Offenbacher nicht beschweren dürfen. Im darauffolgenden Heimspiel gegen den FC-Astoria Walldorf zeigten die Bornheimer erneut eine Reaktion und nahmen die Kurpfälzer mit 6:2 auseinander. Sho Sannomiya und Cas Peters trafen dabei gleich zweimal ins Netz.
Die PSD Bank Arena entwickelte sich zu einer Heimbastion: Drei Spiele, neun Punkte – bestmögliche Ausbeute bis dato. Doch bei aller aufkeimender Euphorie – Cheftrainer Tim Görner zeigte Weitsicht und warnte, dass es noch dauern würde, bis sich die Mannschaft so richtig gefunden hat. Das zeigte auch das Spielgegen die U23 des VfB Stuttgart, das die Bornheimer mit 0:1 verloren und hier einmal mehr Lehrgeld zahlen mussten – nicht zum letzten Mal in der laufenden Saison. Im darauffolgenden Heimspiel gegen den Spitzenreiter und aktuellen Aufstiegskandidaten SSV Ulm allerdings zeigten sich die Schwarz-Blauen von ihrer besseren Seite: Zwar lagen die Bornheimer nach 17 Minuten mit 0:1 zurück, doch nach einer rund 30-minütigen Spielunterbrechung, bedingt durch ein Gewitter mit Blitzeinschlag in einen der vier Flutlichtmasten, kamen die Bornheimer wie verwandelt aus der Kabine und wollten unbedingt einen Punkt aus der Partie mitnehmen. Trotz aufopferungsvollem Kampf belohnte sich der FSV leider nicht und verlor sein erstes Spiel in der heimischen PSD Bank Arena. Drei Tage später machte es der FSV aber besser: In der Partie gegen den TSV Steinbach Haiger, einem weiteren Aufstiegskandidaten, lagen die Schwarzblauen nach knapp 25 Minuten bereits mit 0:2 hinten. Noch in der ersten Halbzeit aber zeigte der FSV Frankfurt Moral und egalisierte binnen drei Minuten die Führung der Mittelhessen. Knapp das erste Viertel der Saison war Ende September absolviert, der FSV Frankfurt belegte nach dem achten Spieltag einen respektablen zwölften Platz in der Tabelle – mit fünf Punkten Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Die Arbeit von Tim Görner mit der Mannschaft zeigte die ersten Früchte: Der FSV Frankfurt war wieder eine Einheit, sowohl auf als auch neben dem Platz! Und der neu zusammengestellte Kader ließ sich von Rückschlägen nicht beirren, es scheint, als wären diese Rückschläge nötig in der Weiterentwicklung, als würden die Jungs um Kapitän Ahmed Azaouagh eben aus diesen Fehlern lernen.
Aber auch neben dem Platz entwickelte sich der FSV weiter. Auch wenn beinahe alle bestehenden Partner und Sponsoren ihr Engagement bei den Bornheimern verlängert haben, war der FSV nach wie vor auf der Suche nach einem neuen Hauptsponsor, nachdem mit Saphir Radiochirurgie der Vertrag für die neue Saison nicht verlängert wurde. Und diese Suche gestaltete sich nicht einfach: Die aktuelle Wirtschaftslage, nicht nur infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, erschwerten das Unterfangen, doch frei nach dem Motto „Gut Ding will Weile haben“ konnten die Verantwortlichen auch hier endlich Erfolg vermelden. Dazu aber mehr im vierten und letzten Teil unseres Jahresrückblicks.